Der Abriss von DDR-Bungalows und die Kosten

Eine Kernfrage des Schuldrechtsanpassungsgesetzes (SchuldRAnpG)

In meiner täglichen Kanzleipraxis zum Schuldrechtsanpassungsgesetz begleitet mich stets die Frage der Mandanten, ob und wann der selbst errichtete oder zu Eigentum erworbene Bungalow nach einer Kündigung – egal, ob diese vom Nutzer selbst oder vom Grundstückseigentümer ausging – denn nun abgerissen werden muss bzw. wann entsprechende Kosten von wem zu tragen sind.

Dafür muss man zunächst einmal die Grundlagen verstehen und richtig deuten:

1) Nach bundesdeutschem Recht verhält es sich so, dass das Eigentum an einem Gebäude, das auf einem Grundstück steht, dem Eigentum am Grundstück folgt. In dieser schwülstigen juristischen Definition steckt ein schlichter Kern: Der Grundstückseigentümer ist automatisch auch Eigentümer der auf dem Grundstück stehenden Gebäude (stark vereinfacht gesagt).

2) Im DDR-Recht gab es dagegen die Besonderheit, dass das Eigentum am Bungalow vom Eigentum am Grundstück getrennt werden konnte, das heißt, der Eigentümer des Grundstücks war ein anderer als der Eigentümer des Wochenendhauses.

Wie hat man nun die beiden Rechtsordnungen nach der Wende in Einklang gebracht? Einfach gesagt laufen die alten Nutzungsverträge weiter – sofern sie nicht gekündigt werden – und unterfallen den besonderen Regelungen des SchuldRAnpG. Das Fazit: Der Pächter bleibt Eigentümer der von ihm rechtmäßig errichteten Baulichkeiten, während der Grundstückseigentümer „nur“ Eigentümer von Grund und Boden ist.

Diese Situation des Sondereigentums ändert sich aber, sobald es zur Kündigung kommt, von welcher Seite auch immer (d.h. Kündigung seitens des Pächters oder des Grundstückseigentümers). Denn mit Ende der Kündigungsfrist fällt das Eigentum an den Baulichkeiten automatisch an den Eigentümer des Grundstücks. Der Pächter hat jedoch ein Wegnahmerecht, das heißt, er darf die von ihm errichteten Gebäude entfernen und mitnehmen, und zwar auch nach dem Ende des Nutzungsvertrags, d. h. selbst dann wenn ein zu DDR-Zeiten errichtetes Gebäude bereits wesentlicher Bestandteil des Grundstücks geworden ist. Das hatte der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 12.03.2008 (Az.: XII ZR 156/05) bestätigt.

Doch was gilt, wenn der Nutzer sich dafür entscheidet, die Baulichkeit nicht wegzunehmen, sondern sie auf dem Grundstück zu belassen? Kann der Eigentümer gegen den Nutzer Abrisskosten geltend machen und wenn ja, wann? 

Die Beantwortung dieser Frage hängt ganz maßgeblich von drei Faktoren ab:

  1. Wann und von wem wurde der Nutzungsvertrag gekündigt?
  2. Liegen Baulichkeiten vor, die nach DDR-Recht korrekt genehmigt worden sind?
  3. Liegt eventuell sogar ein neuer Vertrag nach BGB-Recht vor?

Dabei sind folgende grundlegende Fallgestaltungen zu unterscheiden:

1. Fall: Das Gebäude wurde vor dem 03.10.1990 rechtmäßig errichtet und der Nutzungsvertrag wird bis zum 03.10.2022 vom Grundstückseigentümer gekündigt

Dann ist der Nutzer von der Zahlung jedweder Abrisskosten befreit; ferner steht ihm ein Anspruch auf Entschädigung nach dem Zeitwert der Baulichkeit(en), baulichen Anlagen und Anpflanzungen zu (§§ 12 Abs. 2 S. 1, 27 SchuldRAnpG). Ein häufig gehörtes Argument der Grundstückseigentümer zur Überbürdung von Abrisskosten auf die Nutzer ist, dass die Baulichkeit Asbest enthalten würde, welcher als Sonderabfall mit erheblichen Kosten entsorgt werden müsse. Dies spielt aber juristisch gesehen keine Rolle, da bei Kündigung bis zum 03.10.2022 allein der Grundstückseigentümer für die Entsorgung verantwortlich ist. Das führt im Extremfall zu dem bizarren Ergebnis, dass der Grundstückseigentümer den Nutzer entschädigen muss, obwohl er für die Baulichkeit nach Rückgabe des Grundstücks keine Verwendung mehr hat. Er muss dann also doppelt zahlen, d. h. die Entschädigung nach dem SchuldRAnpG und die Abrisskosten. Dieses Ergebnis mag zwar für die Betroffenen nicht fair erscheinen, ist aber vom Gesetzgeber ausdrücklich so gewollt.

2. Fall: Das Gebäude wurde vor dem 03.10.1990 nicht rechtmäßig errichtet („Schwarzbau“, d. h. das Gebäude wurde nicht so errichtet, wie es genehmigt wurde oder es liegt überhaupt keine behördliche Genehmigung vor) und der Nutzungsvertrag wird vor dem 03.10.2022 vom Grundstückseigentümer gekündigt

Dem Nutzer steht eine Entschädigung nur dann zu, wenn der Grundstückseigentümer durch das Gebäude bereichert ist, was in den meisten Fällen nicht gegeben sein wird. Grundsätzlich ist die Rechtslage so, dass der Nutzer das Gebäude entfernen und für sämtliche Abrisskosten selbst aufkommen muss, da vom Schuldrechtsanpassungsgesetz nur rechtmäßig errichtete Baulichkeiten geschützt werden.

3. Fall: Das Gebäude wurde vor dem 03.10.1990 rechtmäßig errichtet und der Nutzungsvertrag wird vor dem 03.10.2022 vom Nutzer selbst gekündigt

Dem Nutzer steht in diesem Fall ein Anspruch auf Entschädigung insoweit zu, als der Verkehrswert des Grundstücks durch das Gebäude erhöht ist (§ 12 Abs. 3 SchuldRAnpG). Eine Verkehrswerterhöhung wird in den meisten Fällen zu verneinen sein, außer das Grundstück befindet sich baurechtlich gesehen im Außenbereich, denn dann haben aufstehende Baulichkeiten Bestandsschutz und daher für den Grundstückseigentümer in den meisten Fällen noch einen erheblichen Wert. Eine Erkundigung bei der zuständigen Baubehörde, wie sich das Grundstück baurechtlich einordnet, ist also vor der Eigenkündigung unbedingt zu empfehlen. Die exakte Verkehrswerterhöhung kann im Übrigen nur ein erfahrener Sachverständiger feststellen. Laienhafte Schätzungen verbieten sich daher.

Weiterhin wichtig und unbedingt zu beachten: Sollte der Grundstückseigentümer bei Eigenkündigung des Nutzers innerhalb eines Jahres nach der Rückgabe des Grundstücks das aufstehende Gebäude abreißen (egal, ob dies rechtlich oder tatsächlich sinnvoll ist oder nicht), gibt es keinerlei Entschädigung für den Nutzer, sondern er muss sogar noch für die hälftigen Abrisskosten aufkommen (§ 15 Abs. 1 SchuldRAnpG), wenn der Eigentümer des Grundstücks die Zahlung von ihm verlangt. Den Abriss beauftragen und die Gesamtkosten zunächst vorschießen muss jedoch der Grundstückseigentümer. Erst nach dem Abriss kann er sich dann die hälftigen Kosten vom Nutzer „zurückholen“. Zudem muss er dem Nutzer den beabsichtigten Abriss ankündigen und ihm die Möglichkeit geben, vorher selbst (und damit evtl. preiswerter) abzureißen.

4. Fall: Das Gebäude wurde vor dem 03.10.1990 rechtmäßig errichtet und der Nutzungsvertrag wird nach dem 03.10.2022 vom Grundstückseigentümer oder vom Nutzer gekündigt

Ein Entschädigungsanspruch besteht nur insoweit, als das Gebäude noch den Verkehrswert des Grundstücks erhöht und der Grundstückseigentümer noch Verwendung für das Gebäude hat bzw. dieses nicht abreißt (siehe oben, 3. Fall). Man beachte dabei noch einmal die gravierend andere Rechtsfolge: Der Nutzer muss nach dem 03.10.2022 auch dann für die hälftigen Abrisskosten aufkommen, wenn der Grundstückseigentümer den Vertrag kündigt (§ 15 Abs. 1 SchuldRAnpG). Kündigt der Grundstückseigentümer dagegen bis zum 03.10.2022, muss er eine Zeitwertentschädigung an den Nutzer leisten und kann von diesem für rechtmäßig errichtete Baulichkeiten überhaupt keine Abrisskosten verlangen (siehe oben, 1. Fall).

5. Fall: Das Gebäude wurde vor dem 03.10.1990 rechtmäßig errichtet und der Nutzungsvertrag wird nach dem 31.12.2022 vom Grundstückseigentümer oder vom Nutzer gekündigt

Sämtliche Kündigungen, die entweder vom Grundstückseigentümer oder vom Nutzer nach dem 31.12.2022 vorgenommen werden, haben dieselbe Rechtsfolge, da nunmehr BGB-Recht ohne Einschränkungen gilt (§ 15 Abs. 3 SchuldRAnpG): Das Grundstück muss in den Ursprungszustand versetzt werden, d. h. der Nutzer muss die von ihm errichtete Baulichkeit (nebst Schuppen o.ä.) abreißen und die gesamten Kosten dafür tragen. Diese äußerst harte Folge ist vom Gesetzgeber ausdrücklich so gewollt, wobei offensichtlich nicht gesehen wurde, dass die Abrisskosten wegen der Verwendung von Asbest o.ä. erheblich sein können. Die Konsequenzen dieser offensichtlich nicht vollständig durchdachten Rechtsfolge müssen nun die Nutzer tragen. In diesem Zusammenhang wird sicher die Rechtsprechung ab dem Jahr 2023 noch etliche Rechtsfragen klären müssen.

6. Fall: Das Gebäude wurde nach dem 02.10.1990 errichtet

In diesem Fall findet das Schuldrechtsanpassungsgesetz keine Anwendung, da mit der Einheit Deutschlands am 03.10.1990 das bundesdeutsche BGB für Gesamtdeutschland gilt. Danach ist das errichtete Gebäude Eigentum des Grundstückseigentümers, da nach dem BGB das Eigentum an der Baulichkeit dem Eigentum am Grundstück folgt. Dabei kommt es nicht darauf an, dass der Pächter das Gebäude aufgestellt hat.

7. Fall: Der Nutzungs- bzw. Pachtvertrag wurde nach dem 02.10.1990 geschlossen bzw. ein aus DDR-Zeiten stammender Vertrag wurde nach dem 02.10.1990 erneuert (meist mit neuem Vertragsformular)

Auch in diesem Fall findet nur das bundesdeutsche BGB, nicht aber die Sonderregelung des Schuldrechtsanpassungsgesetzes Anwendung (§ 3 SchuldRAnpG). Es gibt keine Entschädigung, und zwar auch dann nicht, wenn ursprünglich ein „alter“ DDR-Nutzungsvertrag existierte, dieser aber (mit oder ohne entsprechende Rechtskenntnis der Nutzer) in einen Vertrag nach bundesdeutschem Recht „umgewandelt“ wurde. Meist geschah dies durch die Unterzeichnung eines Mustervertragsformulars nach BGB-Recht. Im Einzelfall ist in einer solchen Konstellation eine anwaltliche Tiefenprüfung dringend anzuraten.

Sebastian Fehse
Sabrina Bauroth (LL.M., CertHE)
Rechtsanwältin / Legal Counsel / Barrister
Rechtsanwältin Sabrina Bauroth, LL.M., CertHE, ist eine erfahrene Anwältin mit breitem juristischen Fachwissen und umfassenden Qualifikationen. Sie ist seit 2014 Mitglied der Rechtsanwaltskammer Berlin und spezialisiert auf Erbrecht und DDR-Überleitungsrecht. Mit einem Master of Laws (LL.M.) in Human Rights and Criminal Justice, sowie Zertifizierungen als Testamentsvollstreckerin und Unternehmensnachfolgeberaterin besitzt sie eine herausragende Expertise.
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