Die deutsche Einheit im Jahr 1990 führte zur Zusammenführung zweier Rechtssysteme, die nicht nur politisch äußerst unterschiedlich waren. Besonders brisant ist die Lage, wenn es um Grund und Boden geht, für den in der DDR langjährige Nutzungsverträge abgeschlossen worden sind. Die Nutzung der Grundstücke war und ist für die Pächter ein Stück Freiheit, in das sie meist erheblich finanziell investiert haben. Es wurden Bungalows bzw. Lauben (Wochenendhäuser bzw. Erholungsbauten) errichtet, Blumen und Bäume gepflanzt und das bewirtschaftete Land ein Stück weit wie Eigentum angesehen.
Um diese Landnutzer bzw. Pächter durch die unvorhergesehene Wiedervereinigung nicht plötzlich schutzlos zu stellen, wurde 1994 das Schuldrechtsanpassungsgesetz (SchuldRAnpG) erlassen. Es gilt seit dem 01.01.1995 und ist als Regelwerk konzipiert worden, das den Übergang von DDR-Recht auf bundesdeutschen Recht langsam und für die Nutzer fair gestalten sollte. Der umfassende Schutz der Nutzungsverträge vor Kündigung sollte nicht abrupt enden, sondern allmählich und mit Rücksicht auf das Vertrauen der Pächter auslaufen.
Nach Maßgabe von § 23 Abs. 4 SchuldRAnpG ist der generelle Schutz der Pächter vor Kündigung seit dem 04.10.2015 aufgeweicht, was oft unter der Bezeichnung "Wegfall des Kündigungsschutzes" zu finden ist. Konnten die Nutzungsverträge der Pächter von den Grundstückseigentümern bisher nur unter engen Voraussetzungen (z. B. Eigenbedarf, schuldhaftes Verhalten des Pächters) überhaupt gekündigt werden, ist dies seit dem 04.10.2015 problemlos und ohne weitere Gründe oder Voraussetzungen möglich. Eine vor kurzem vom Bundesrat beschlossene Gesetzesinitiative, mit der der Schutz der Nutzer um weitere drei Jahre (d.h. bis zum 3. Oktober 2018) verlängert werden sollte, wurde im Bundestag abgelehnt. Seit dem 4. Oktober 2015 gilt also daher sozusagen eine „allgemeine Kündigungsfreiheit“ des Grundstückseigentümers.
In diesem Zusammenhang wird zwar immer wieder beschworen, dass die meisten Eigentümer sicherlich kein Interesse daran hätten, ihren Pächtern zu kündigen, da das Land „mit Pächter“ doch erheblich mehr wert sei und das Grundstück nach einem möglichen Abriss oder Abbau der Baulichkeiten bei weitem nicht mehr den vorherigen Wert hätte. Leider sieht die Praxis oft anders aus.
Es ist jedoch auch möglich, dass der Nutzer selbst den Nutzungsvertrag aus DDR-Zeiten kündigen möchte, entweder aus Altersgründen oder weil er für die Datsche sonst keine Verwendung mehr hat. Unzweifelhaft steht in beiden Fällen den Nutzern eine Entschädigung für das zu, was sie über die Jahre in ihr kleines Refugium investiert haben, seien es Strom- und Wasseranschlüsse, die Verschönerung des Bungalows oder wertvolle Gehölze.
Für die Nutzer ist es oftmals ein Schock, eine Kündigung für das Land zu erhalten, das sie oftmals mehr als 30 Jahre genutzt, gehegt und liebevoll gepflegt haben. Es sind oft bedeutende Investitionen getätigt worden, man hat viel Geld in den Aus- und Umbau „gesteckt“, ganz zu schweigen von den Kosten für die Beschaffung von Pflanzen, das heißt Baumsetzlingen und Gehölzen, die nun angesichts ihres Alters oft schon eine bedeutende Größe erreicht haben.
Soll man dies ersatzlos aufgeben, ohne dafür mit Geld entschädigt zu werden? Diese Frage muss man ganz klar mit einem strikten „Nein“ beantworten. Dabei ist sturer Pragmatismus angesagt. Tatsache ist zwar, dass oftmals enormer Druck von den Eigentümern ausgeübt wird. Durch die Drohgebärden von eingeschalteten Anwälten geben viele Pächter nach, weil sie einen Rechtsstreit fürchten. Sie möchten so bald wie möglich wieder ruhig schlafen können und einem Stapel von Anwaltsschreiben entgehen.
Auch wenn dieser Wunsch mehr als berechtigt ist, so muss man doch immer wieder zum Durchhalten raten, denn die Werte, die durch die „Flucht in den Frieden“ kommentarlos aufgegeben werden, sind fast immer beträchtlich. Es ist keine Seltenheit, dass für, laut Einschätzung der Nutzer, „einfache“ Bungalows Zeitwerte von 10.000 EUR und mehr festgestellt werden. Kommen dann noch die Entschädigungen für Anpflanzungen dazu – auch diese belaufen sich oft auf mehr als 10.000 EUR – ist erkennbar, wie viel für einen Pächter auf dem Spiel stehen kann. Im Vergleich dazu sind die Kosten für einen Gutachter mit durchschnittlich 700 bis 1500 EUR (abhängig von Grundstücksgröße und -wert) moderat und gut investiertes Geld.
Kurz gesagt haben die Pächter bei Kündigung durch den Eigentümer folgende Rechte:
Auch wenn ein Nutzer den langjährigen Nutzungsvertrag selbst kündigt, stehen ihm Entschädigungsansprüche zu. Allerdings gelten hier leicht abgeänderte Regeln.
Kurz gesagt haben die Pächter bei Eigenkündigung folgende Rechte:
Der Anspruch auf Entschädigung ist erst fällig, nachdem der Nutzungsvertrag beendet ist. Sobald das Grundstück also zurückgegeben wurde, kann man den Eigentümer um Zahlung der Entschädigung bitten oder, wenn der Eigentümer die Zahlung endgültig und ernsthaft verweigert, ohne weitere Umwege seinen Anspruch vor Gericht geltend machen. Dies ist vor allem deswegen wichtig, um eine Verjährung zu vermeiden. Es ist bisher nämlich noch von keinem Gericht abschließend geklärt worden, ob für eine Verjährung bei Ansprüchen nach dem Schuldrechtsanpassungsgesetz die mietrechtliche Frist von 6 Monaten nach Vertragsende oder die „normale“ Verjährungsfrist von 3 Jahren gilt. Wer auf Nummer sicher gehen will, sollte daher nach Vertragsende möglichst bald das Gericht einschalten.
Lässt man das Grundstück zur Werteinschätzung vorher von einem Sachverständigen begutachten, wozu man mit Blick auf ein vielleicht notwendiges Gerichtsverfahren nur raten kann, sollte man darauf achten, dass der Gutachter den Rückgabetermin (letzter Tag der Kündigungsfrist) als Stichtag in sein Gutachten mit aufnimmt. Denn hinsichtlich des Werts von Baulichkeiten und Anpflanzungen kommt es auf den Zeitpunkt der Rückgabe des Grundstücks an den Eigentümer an.
Dies muss man leider in bestimmtem Umfang bejahen. Nach dem 3. Oktober 2022 endet die sogenannte Investitionsschutzfrist. Erfolgt die Kündigung nach diesem Zeitpunkt, ist es grundsätzlich egal, wer kündigt (Eigentümer oder Nutzer selbst), denn eine Entschädigung nach dem Zeitwert der Baulichkeiten und Anpflanzungen gibt es dann nicht mehr. Eine Entschädigung richtet sich ab 4. Oktober 2022 also nur noch danach, ob der Verkehrswert des Grundstücks durch die Baulichkeit erhöht ist, d.h. wie hoch der Wertzuwachs des Grundstücks durch die Bauten ist.
Man kann jedem Nutzer, dessen Vertrag unter das Schuldrechtsanpassungsgesetz fällt, nur dazu raten, seine Ansprüche geltend zu machen, um sowohl seine finanziellen Investitionen als auch seine Arbeitsleistung und Freizeit angemessen entschädigen zu lassen.
Kanzlei Bauroth | Impressum | Datenschutzerklärung | Copyright 2024