Ein Vermächtnis kann eine wertvolle Zuwendung sein, sei es ein Geldbetrag, ein wertvoller Gegenstand oder ein Nutzungsrecht. Derjenige, dem das Vermächtnis vom Erblasser im Testament zugesprochen wurde, ist der Vermächtnisnehmer. Er ist nicht mit dem Erben gleichzusetzen.
Während ein Erbe ein allumfassendes Verfügungsrecht über den Nachlass hat, hat der Vermächtnisnehmer lediglich ein Forderungsrecht bezüglich des Vermächtnisses.
Im Gegensatz zu den Erben fällt dem Vermächtnisnehmer das Vermächtnis nicht automatisch aus dem Nachlass zu, sondern er muss seinen Anspruch aktiv gegenüber den Erben geltend machen. Dies kann in der Praxis zu Schwierigkeiten führen, insbesondere wenn die Erben die Herausgabe verzögern oder verweigern.
Doch wie genau kann man ein Vermächtnis einfordern? Welche Fristen sind zu beachten und welche rechtlichen Schritte stehen zur Verfügung, wenn die Erben nicht kooperieren?
In diesem Beitrag informiert Rechtsanwältin Sabrina Bauroth darüber, was ein Vermächtnis ist, welche Rechte man als Vermächtnisnehmer hat, wie man sein Vermächtnis erfolgreich einfordert und welche Möglichkeiten es im Streitfall gibt.
Jeder Mensch kann frei über sein Vermögen verfügen. Dies gilt auch für die Regelung, was mit dem Vermögen oder einzelnen Vermögensgegenständen nach dem eigenen Tod geschehen soll. Man kann sich als künftiger Erblasser für die Bestimmung seines Rechtsnachfolgers (Erbe) auf die gesetzliche Erbfolge verlassen oder eine Verfügung von Todes wegen errichten, in der je nach Wunsch des Erblassers Einzelheiten über die Rechtsnachfolger (Erben) und die Verteilung des Nachlasses geregelt werden.
In einem Testament kann eine Person als Erbe eingesetzt werden. Auch mehrere Personen können Erben sein, wobei der Erblasser die Erbquoten frei bestimmen kann. Hat der Erblasser seine Erben bestimmt, kann er darüber hinaus einer Person ein Vermächtnis zukommen lassen. Mit einem Vermächtnis erhält eine vom Erblasser bestimmte Person einen genau festgelegten Bestandteil des Nachlasses (z.B. Wohnung, Gemälde, fester Geldbetrag), ohne dass der Vermächtnisnehmer selbst Erbe wird. Das Vermächtnis ist in § 1939 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geregelt.
Alles zur Annahme und Ausschlagung einer Erbschaft erfahren Sie in diesem Beitrag.
Das Vermächtnis unterscheidet sich grundsätzlich von der Erbschaft. Während der Erbe Rechtsnachfolger des Erblassers wird und in dessen Rechte und Pflichten eintritt, hat der Vermächtnisnehmer lediglich einen Anspruch auf Erfüllung des ihm zugedachten Vermächtnisses. Der Vermächtnisnehmer wird nicht Rechtsnachfolger des Erblassers und haftet auch nicht für dessen Schulden. Der Erbe oder die Erbengemeinschaft ist verpflichtet, das Vermächtnis zu erfüllen, soweit der Nachlass dies zulässt.
Vermächtnisse können sehr unterschiedlich ausgestaltet sein. Häufig sind Vermächtnisse auf die Zuwendung einer bestimmten Sache oder eines Geldbetrages gerichtet. Das klassische Sachvermächtnis besteht in der Zuwendung eines bestimmten Gegenstandes, z.B. eines Kunstwerkes, eines Schmuckstückes oder einer Immobilie. Beim Geldvermächtnis wird dem Begünstigten ein bestimmter Geldbetrag aus dem Nachlass zugewendet.
Daneben gibt es das Nutzungsvermächtnis, bei dem dem Vermächtnisnehmer nicht das Eigentum an einer Sache oder an Geld, sondern nur das Recht zur Nutzung einer bestimmten Sache übertragen wird, z.B. ein lebenslanges Wohnrecht in einer Immobilie. Eine weitere Form ist das Wahlvermächtnis, bei dem dem Vermächtnisnehmer das Recht eingeräumt wird, zwischen mehreren Gegenständen zu wählen.
Wollte der Erblasser einen bestimmten Gegenstand vermachen, der sich aber nicht mehr in seinem Besitz befindet, kann er ein Verschaffungsvermächtnis anordnen. In diesem Fall sind die Erben verpflichtet, den Gegenstand oder einen gleichwertigen Ersatz zu beschaffen. Darüber hinaus kann ein Vermächtnis an eine Bedingung geknüpft werden, was als Auflagenvermächtnis bezeichnet wird. So kann z.B. bestimmt werden, dass der Vermächtnisnehmer einen Geldbetrag erst nach Erfüllung einer bestimmten Bedingung erhält, z.B. nach erfolgreichem Abschluss eines Studiums.
Ein Vermächtnis kann nur durch letztwillige Verfügung, also durch Testament oder Erbvertrag, angeordnet werden. Ein Testament kann vom Erblasser einseitig errichtet und jederzeit geändert oder widerrufen werden. Es kann eigenhändig oder notariell errichtet werden.
Ein Erbvertrag hingegen ist eine vertragliche Vereinbarung zwischen dem Erblasser und mindestens einer weiteren Person. Da ein Erbvertrag notariell beurkundet werden muss, bietet er eine höhere Rechtssicherheit, ist aber auch schwieriger zu ändern als ein Testament. Gleiches gilt für ein gemeinschaftliches Testament, das von Ehegatten gemeinsam verfasst wurde. Befindet sich darin eine wechselbezügliche Verfügung, wozu auch die gemeinsame Auslobung eines Vermächtnisses an einen Dritten gehören kann, so wird diese Verfügung mit dem Tod des ersten Ehegatten bindend. Der überlebende Ehegatte kann das Vermächtnis dann nicht mehr einseitig abändern.
Sobald der Erbfall eingetreten ist, hat der Vermächtnisnehmer einen schuldrechtlichen Anspruch gegen die Erben, d.h. das Vermächtnis ist fällig. Das bedeutet, dass der Vermächtnisnehmer ab dann das Vermächtnis aktiv einfordern muss, um es zu erhalten. In den meisten Fällen wird der Vermächtnisnehmer vom Nachlassgericht über das Vermächtnis informiert, indem er als Begünstigter eine Kopie des Testaments erhält.
Der Vermächtnisnehmer kann nicht selbst über den Nachlass verfügen, da dies den Erben zusteht, sondern ist darauf angewiesen, dass die Erben ihrer Verpflichtung zur Erfüllung des Vermächtnisses nachkommen. Die Erfüllung muss der Vermächtnisnehmer bei den Erben einfordern.
In der Praxis kann dies zu Schwierigkeiten führen. Nicht selten gibt es Unklarheiten im Testament, so dass der Inhalt eines Vermächtnisses nicht eindeutig festgestellt werden kann. Zudem können Erben versuchen, sich der Pflicht zur Erfüllung des Vermächtnisses zu entziehen, insbesondere wenn der Nachlass überschuldet ist oder nicht genügend liquide Mittel vorhanden sind.
Ein Vermächtnis einfordern, kann nur der Vermächtnisnehmer. Weder eine andere Person noch die Erben können das Vermächtnis anstelle des Vermächtnisnehmers geltend machen. Stirbt der Vermächtnisnehmer vor dem Erblasser, so erlischt das Vermächtnis (§ 2160 BGB). Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Erblasser in seinem Testament auch einen Ersatzvermächtnisnehmer benannt hat, der in diesem Fall anstelle des ursprünglich Bedachten das Vermächtnis erhalten soll (z.B. die Kinder oder der Ehepartner des Vermächtnisnehmers). Lebt der Vermächtnisnehmer noch, will aber das Vermächtnis nicht annehmen, kann der Ersatzvermächtnisnehmer das Vermächtnis an seiner Stelle annehmen, wenn das vom Erblasser im Testament so vorgesehen wurde.
Sabrina Bauroth ist Rechtsanwältin und auf das Erbrecht spezialisiert. Sie steht Ihnen für alle erbrechtlichen Fragen gern zur Verfügung!
Hat der Vermächtnisnehmer von seinem Vermächtnis erfahren, z.B. durch Benachrichtigung des Nachlassgerichts, so erhält er das Vermächtnis nicht automatisch. Er muss das Vermächtnis aktiv einfordern, also seinen Anspruch aktiv gegenüber den Erben geltend machen. Der Anspruch entsteht zwar bereits mit dem Erbfall, da der Erblasser in seinem Testament oder Erbvertrag eindeutig bestimmt hat, dass der Vermächtnisnehmer eine bestimmte Zuwendung erhalten soll, aber die Durchsetzung des Vermächtnisses obliegt dem Vermächtnisnehmer selbst.
Zunächst stellt sich die Frage, wann und wie der Anspruch geltend gemacht werden kann. Grundsätzlich beginnt der Anspruch des Vermächtnisnehmers mit dem Zeitpunkt, in dem er von dem Vermächtnis erfährt. Häufig ergibt sich dies aus der Testamentseröffnung und dem Eröffnungsprotokoll des Nachlassgerichts, das auch den Inhalt des Testaments wiedergibt. Stehen im Einzelfall Verjährungsfragen in Rede, muss vom Anwalt genau geprüft werden, ob das Vermächtnis unter den Umständen des Einzelfalles noch eingefordert werden kann. Sobald die Rechtslage klar ist, kann der Vermächtnisnehmer aktiv werden und die Herausgabe des ihm zugedachten Gegenstandes verlangen.
Die Erfüllung des Vermächtnisses ist Sache der Erben. Diese sind verpflichtet, das Vermächtnis aus dem Nachlass zu erfüllen - sei es durch Herausgabe eines bestimmten Gegenstandes, durch Überweisung eines Geldbetrages oder durch Übertragung eines Nutzungsrechtes.
Die Geltendmachung des Vermächtnisses kann zunächst formlos erfolgen, z.B. durch ein Schreiben, in dem der Vermächtnisnehmer die Erben auffordert, das Vermächtnis innerhalb einer bestimmten Frist zu erfüllen. Der Vermächtnisnehmer sollte den Erben eine angemessene Frist zur Erfüllung des Vermächtnisses setzen.
In dem Schreiben an die Erben sollte der Vermächtnisnehmer auch die erforderlichen Unterlagen an die Erben übersenden. Zu den erforderlichen Urkunden gehört in erster Linie das Testament oder der Erbvertrag, aus dem sich der Anspruch auf das Vermächtnis ergibt. Ergänzend kann das Eröffnungsprotokoll des Nachlassgerichts als Nachweis dienen, dass der Erbfall tatsächlich eingetreten ist und die letztwillige Verfügung wirksam eröffnet wurde. Diese Dokumente sind im Streitfall entscheidend, um die eigenen Ansprüche gegenüber den Erben gerichtlich oder außergerichtlich durchzusetzen.
Mehr zu meinen Leistungen im Erbrecht erfahren Sie hier.
Verweigern die Erben die Herausgabe des Vermächtnisses oder wird das Vermächtnis nicht innerhalb dieser Frist erfüllt, kann der Vermächtnisnehmer seinen Anspruch gerichtlich durchsetzen. Die gesetzliche Grundlage hierfür findet sich in § 2147 BGB, der dem Vermächtnisnehmer ausdrücklich das Recht einräumt, die Erfüllung des Vermächtnisses zu verlangen.
Problematisch kann es werden, wenn die Erben versuchen, die Erfüllung des Vermächtnisses zu verzögern oder gar zu verweigern. Dafür kann es verschiedene Gründe geben: Möglicherweise bestreiten die Erben, dass das Vermächtnis in der vorliegenden Form besteht, oder sie berufen sich auf angebliche Lücken oder eine andere Auslegung des Testaments.
Auch finanzielle Engpässe im Nachlass können zu Konflikten führen, wenn die Erben behaupten, der Nachlass reiche nicht aus, um alle Ansprüche zu befriedigen. In solchen Fällen empfiehlt es sich, frühzeitig rechtlichen Rat einzuholen, um die eigenen Rechte zu wahren, Ansprüche gerichtlich durchzusetzen oder eine einvernehmliche Lösung zu finden.
Die Geltendmachung eines Vermächtnisses ist ein aktiver Prozess, der vom Vermächtnisnehmer klar strukturiert durchgeführt werden sollte. Der Vermächtnisnehmer muss sich über den Zeitpunkt des Entstehens seines Anspruchs im Klaren sein, sein Anforderungsschreiben an die Erben richten und eine angemessene Frist setzen. Die Geltendmachung eines Vermächtnisses sollte durch einen auf Erbrecht spezialisierten Rechtsanwalt erfolgen, um Fehler zu vermeiden.
Insbesondere dann, wenn die Erben die Herausgabe des Vermächtnisses verweigern, das Nichtbestehen des Vermächtnisses aufgrund einer anderen Auslegung des Testaments behaupten oder auf die berechtigte Forderung des Vermächtnisnehmers überhaupt nicht reagieren, sollte zur Durchsetzung der Ansprüche anwaltliche Hilfe in Anspruch genommen werden. Häufig können die Hindernisse überwunden werden, so dass das geschuldete Vermächtnis schließlich zur Auszahlung oder Herausgabe gelangt. Sofern die Erben eine gerichtliche Auseinandersetzung über das Vermächtnis herausfordern, sollte dem Vermächtnisnehmer ein Anwalt zur Seite stehen, der sein Recht konsequent durchsetzt.
Sie benötigen Unterstützung beim Thema Vermächtnis einfordern? Rechtsanwältin Sabrina Bauroth steht Ihnen gerne mit Rat und Tat zur Seite. Vereinbaren Sie einen Beratungstermin und profitieren Sie von Ihrer langjährigen Erfahrung im Erbrecht. Vertrauen Sie auf Ihre Expertise, um Ihre Ansprüche professionell und effektiv durchzusetzen.
Ein Erbe tritt die gesamte Rechtsnachfolge des Erblassers an und übernimmt sowohl dessen Vermögen als auch etwaige Schulden. Ein Vermächtnisnehmer hingegen erhält nur einen bestimmten, im Testament oder Erbvertrag festgelegten Vermögensgegenstand, haftet jedoch nicht für die Schulden des Erblassers. Allerdings kann die Erfüllung eines Vermächtnisses bei einem überschuldeten Nachlass unmöglich sein.
Der Vermächtnisnehmer muss seinen Anspruch aktiv gegenüber den Erben geltend machen. Dies geschieht am besten schriftlich unter Setzung einer Frist zur Erfüllung. Dem Schreiben sollte eine Kopie des Testaments oder des Eröffnungsprotokolls des Nachlassgerichts beigefügt werden. Reagieren die Erben nicht oder verweigern sie die Herausgabe, kann auf Erfüllung des Vermächtnisses geklagt werden.
Ja, der Anspruch auf ein Vermächtnis verjährt in drei Jahren (§ 195 BGB). Die Verjährung beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Vermächtnisnehmer von seinem Anspruch Kenntnis erlangt, in der Regel nach der Testamentseröffnung. Nach Ablauf dieser Frist kann das Vermächtnis nicht mehr gerichtlich durchgesetzt werden. Da der Eintritt der Verjährung von mehreren Faktoren abhängt, sollte stets anwaltlich geprüft werden, welche verjährungshemmenden Tätigkeiten zwecks Durchsetzung des Vermächtnisses ergriffen werden sollten.
Wenn die Erben die Erfüllung verweigern oder sich auf finanzielle Schwierigkeiten berufen, kann der Vermächtnisnehmer zunächst versuchen, eine außergerichtliche Einigung zu erzielen. Bleibt dies erfolglos, besteht die Möglichkeit einer gerichtlichen Durchsetzung des Anspruchs nach § 2147 BGB. Ein auf Erbrecht spezialisierter Rechtsanwalt kann dem Vermächtnisnehmer dabei behilflich sein.
Bildquellennachweise: Proxima Studio | pixelshot | Canva.com
Kanzlei Bauroth | Impressum | Datenschutzerklärung | Copyright 2024