Verheiratete Paare verzichten oft auf die Erstellung eines gemeinsamen Testaments, da sie dem Irrglauben unterliegen, der überlebende Ehegatte würde sowieso alles erben. Stirbt der Ehepartner, ohne ein Testament hinterlassen zu haben, gilt die sogenannte "gesetzliche Erbfolge". So ist meist nicht nur die Trauer, sondern auch die Verzweiflung groß, wenn man erfährt, dass man nicht Alleinerbe des Nachlasses ist, sondern sich diesen mit anderen (eventuell ungeliebten) Verwandten des Ehegatten - z.B. mit Kindern aus erster Ehe oder auch mit Eltern oder Geschwistern - teilen muss. Besonders dann, wenn Immobilien betroffen sind, kann die gesetzliche Erbfolge verheerende Auswirkungen haben.
Das Erbrecht des Ehegatten nimmt im deutschen Recht eine Sonderstellung ein, da der Ehemann bzw. die Ehefrau genau genommen in keiner der Vorschriften, die die Verwandtschaftsordnungen regeln (§§ 1924-1926, §§ 1928-1929 BGB), ausdrücklich genannt ist. So sind zum Beispiel Kinder und Enkel Erben erster Ordnung oder Eltern und Geschwister Erben zweiter Ordnung, aber der Ehegatte ist kein Erbe, der sich in einer solchen "Ordnung" wiederfindet. Stattdessen hat ihm der Gesetzgeber in gesonderten Vorschriften einen Platz geschafft, der sein Erbrecht neben anderen Verwandten des Verstorbenen regelt.
Um feststellen zu können, wie ein Ehepartner erbt, muss in einem ersten Schritt ein Blick darauf geworfen werden, in welchem Güterstand die Eheleute vor dem Tod zusammengelebt haben. Denn das Gesetz legt für die einzelnen Güterstände unterschiedliche Erbquoten im Falle des Todes eines Ehegatten fest.
Der Güterstand beschreibt unter anderem, wie das während der Ehe erworbene Vermögen behandelt bzw. auf die Eheleute aufgeteilt werden soll, falls die Ehe enden sollte (z.B. durch Scheidung oder Tod). Die Thematik ist im Einzelnen komplex und vielschichtig und kann daher hier nur sehr grob angerissen werden. Sie sollte - sofern der Güterstand im jeweiligen Erbfall eine Rolle spielt - im Detail mit einem Anwalt erörtert werden, und zwar auch und gerade hinsichtlich ihrer erbrechtlichen Auswirkungen.
Im deutschen Recht gibt es drei Güterstände: die Zugewinngemeinschaft, die Gütertrennung und die Gütergemeinschaft. Wer keinen anderslautenden Ehevertrag geschlossen hat, lebt automatisch im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft - dafür muss man also "nur" heiraten, ohne weiteres Zutun.
Ein wichtiges Indiz dafür, ob der gesetzliche Güterstand von den Eheleuten geändert wurde, ist die Frage, ob die Ehegatten irgendwann im Laufe ihrer Ehe einmal beim Notar waren, denn der gesetzliche ("normale") Güterstand kann nur vor einem Notar in eine Gütertrennung oder Gütergemeinschaft geändert werden. Sollte das nicht der Fall sein, ist dagegen vom gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft auszugehen.
Haben die Ehepartner - wie oben gesagt - keine gesonderte Regelung darüber getroffen, welcher Güterstand gelten soll, sondern „einfach nur geheiratet“, bestimmt das Gesetz automatisch, dass sie eine Zugewinngemeinschaft darstellen.
Das bedeutet, dass im Falle einer Scheidung zum Zweck der Vermögensaufteilung ermittelt werden würde, was die einzelnen Ehegatten während der Ehe an Vermögen hinzugewonnen haben. Vereinfacht gesagt wird dann dieser Zugewinn nach bestimmten gesetzlichen Regeln unter den Ehegatten verteilt, damit ein finanzieller Ausgleich stattfindet. Damit wird oft der begünstigt, der dem Ehepartner "den Rücken freigehalten hat", damit dieser beispielsweise ein tragfähiges Unternehmen aufbauen konnte.
Einfaches Beispiel: Herr und Frau Schmidt haben im Jahr 2003 geheiratet. Beide sind vermögenslos in die Ehe gegangen. Während Frau Schmidt in der Ehe die Kinder großgezogen und nicht gearbeitet hat, hat Herr Schmidt eine erfolgreiche Firma gegründet. Sein Zugewinn während der Zeit der Ehe beträgt 200.000,00 EUR. Frau Schmidt selbst hat nichts an Vermögen aufgebaut (Zugewinn: 0 EUR). Der Gesamt-Zugewinn beider Eheleute beträgt also 200.000,00 EUR. Davon stünde Frau Schmidt die Hälfte zu, wenn die Ehe durch Scheidung oder Tod enden sollte (100.000,00 EUR).
Gütertrennung bedeutet sehr grob gesagt, dass das während der Ehe erworbene Vermögen der Ehegatten getrennt beurteilt wird. Bei Beendigung der Ehe (durch Scheidung oder Tod) findet kein Vermögensausgleich zwischen den Ehegatten statt. Der Güterstand der Gütertrennung wird nur dann verbindlich von den Eheleuten festgelegt, wenn sie die Festlegung gemeinsam vor einem Notar treffen, d.h. in diesen Güterstand kann man sozusagen nicht nur bloße Heirat "hineinstolpern".
Einfaches Beispiel: Herr und Frau Krause haben im Jahr 2003 geheiratet, aber Gütertrennung vereinbart. Herr Krause hat während der Ehe ein erfolgreiches Unternehmen gegründet, das auf einen Wert von 200.000,00 EUR geschätzt wird. Von diesem "Gewinn" würde Frau Krause aufgrund der Gütertrennung am Ende der Ehe grob gesagt nicht profitieren.
Auch der Güterstand der Gütergemeinschaft kann nur durch Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung vor einem Notar vereinbart werden, also nicht durch bloße Eheschließung. Gütergemeinschaft bedeutet (wiederum sehr vereinfacht gesagt!), dass das, was die Ehegatten während der Ehe erworben haben, beiden gemeinsam gehört. Interessanterweise stellte dieser Güterstand bis zum Inkrafttreten des BGB im Jahr 1900 den gesetzlichen Regelfall dar.
Einfaches Beispiel: Herr und Frau Meyer haben im Jahr 2003 geheiratet, allerdings Gütergemeinschaft vereinbart. Während der Ehe hat Frau Meyer einen wertvollen Oldtimer angeschafft. Herr Meyer hat ein Eigenheim erworben. Oldtimer und Eigenheim gehören beiden Ehegatten gemeinsam.
Mit der Ermittlung des Güterstandes ist noch nicht die Frage beantwortet, wie und mit welchem Anteil neben dem Ehegatten andere Verwandte des Verstorbenen am Nachlass beteiligt sind. Das richtet sich kurz und sehr grob gesagt danach, welche Verwandten aus welchen Ordnungen erben, d.h. ob es Kinder oder Enkel gibt (1. Ordnung), Eltern und Geschwister (2. Ordnung) oder Großeltern und deren Kinder (3. Ordnung).
Erst nach der Feststellung, welche weiteren Verwandten vom Erbe profitieren, steht endgültig fest, mit wieviel Prozent der überlebende Ehegatte am Vermögen seines verstorbenen Partners beteiligt ist. Neben Verwandten näherer Erbordnungen, z.B. neben Kindern und Eltern des Erblassers, erbt der hinterbliebene Ehegatte nämlich weniger als neben Angehörigen entfernterer Erbordnungen (z.B. der Urgroßeltern).
Im Detail steht dem Ehegatten jeweils die folgende Erbquote am Nachlass seines verstorbenen Ehepartners zu:
Angesichts der genannten Erbquoten bei der gesetzlichen Erbfolge kann man als Grundaussage festhalten, dass ein überlebender Ehegatte nur dann gesetzlicher Alleinerbe seines verstorbenen Ehepartners wird, wenn der Ehepartner weder Erben der ersten Ordnung (Kinder, Enkel, Urenkel) noch der zweiten Ordnung (Eltern, Geschwister und deren Kinder) noch Großeltern (dritte Erbordnung) hinterlassen hat (§ 1931 Abs. 2 BGB). Dass dies in der Praxis nur äußerst selten der Fall ist, dürfte jedem klar sein.
Bestand zwischen den Eheleuten der Güterstand der Zugewinngemeinschaft und existiert kein Testament des Verstorbenen, kann es für den überlebenden Ehegatten vor allem bei einem besonders hohen Zugewinnanspruch auch günstiger sein, das Erbe auszuschlagen und den sogenannten "kleinen" Pflichtteil zu verlangen (sogenannte "taktische Ausschlagung").
Das hört sich zwar merkwürdig an, kann aber durch die Einzelberechnung je nach Fallgestaltung einen wesentlich höheren Ausgleichsbetrag als bei der Annahme der Erbschaft ausmachen. Durch die Ausschlagung wäre der Ehegatte jedoch genau genommen nicht mehr Erbe, sondern nur Pflichtteilsberechtigter und könnte daher z.B. nicht mehr über Nachlassgegenstände verfügen. Dies würde vor allem dort zu Konflikten führen, wo der Hinterbliebene in einer Immobilie wohnt, die auch dem verstorbenen Ehepartner gehörte.
In einer solchen Konstellation ist anwaltliche Hilfe also auf jeden Fall immer geboten. Da mit einer "falschen" bzw. übereilten Ausschlagung auch immer finanzielle Nachteile verbunden sein können, sollte eine solche nicht ohne vorherige gründliche Abwägung erfolgen.
Steht man durch die Erbquotenfeststellung vor dem Problem, mehrere Erben zu haben (sofern nicht ausgeschlagen wurde), dann bilden diese eine Erbengemeinschaft. Das bedeutet, sie können den gesamten Nachlass nur gemeinsam verwalten und auch nur gemeinsam darüber verfügen. Das ist besonders bitter, wenn die Ehegatten z.B. ein gemeinsames Eigenheim besaßen und die Eltern und/oder Geschwister plötzlich Miteigentümer sind und sogar einen Anspruch haben, ins Grundbuch eingetragen zu werden und die Immobilie zu nutzen.
Sämtliche Verfügungen über das Haus als solches sind auf einmal nur noch mit Zustimmung der anderen Erben möglich. Auch sämtliche anderen Nachlassgegenstände gehören allen Erben gemeinsam; eine Verfügung nur eines Erben über einzelne Gegenstände ist ohne Einverständnis der anderen Erben nicht möglich. Der geneigte Leser kann sich sicher vorstellen, dass das Konflikt- und Zermürbungspotenzial bei solchen Fällen beinahe unendlich ist.
Dies alles zeigt, wie unerlässlich sowohl eine ausführliche Beratung über die Rechtsfolgen eines Todesfalls als auch über die eheliche Nachlassplanung ist, um schwerwiegende Folgen zu vermeiden.
Sollten Sie eine Beratung oder Vertretung zu Fragen des gesetzlichen Ehegattenerbrechts benötigen, bin ich gerne für Sie da! Bitte beachten Sie aber, dass jede anwaltliche Tätigkeit gebührenpflichtig ist.
Ich freue mich auf Ihre Anfrage!
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